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Ökumene-Schwerpunkt: Ökumene schwer! Punkt.

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Warum es ohne Betroffenheit nicht geht


 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Haben Sie vor kurzem jemanden mit einem Rollstuhl begleitet? Oder haben Sie in Ihrer Wohnung Möbelstücke bekommen oder "ausrangiert"? Haben Sie vielleicht einen Kinderwagen geschoben? Oder waren Sie einmal eine Zeitlang auf Krücken angewiesen?

Wenn nein, dann lade ich Sie ein, sich eine dieser Tätigkeiten kurz, aber intensiv vorzustellen (bei allen anderen sind die "Erinnerungen" bestimmt schon wach): die Enge mancher Türen, der zu kleine Lift, die Höhe vieler Gehsteigkanten und Stufen... Vorher gar nicht wahrgenommen, gibt es da plötzlich Hindernisse und Barrieren, die uns im Normalfall kaum auffallen. Vom "Nicht-Betroffenen" sind Sie auf einmal – für eine mehr oder minder lange Zeitspanne – zu "Betroffenen" geworden! Und damit hat sich auch Ihre Sicht mancher Dinge geändert – stimmt’s?

Ich denke, im Prinzip ist es mit der Ökumene recht ähnlich: erst wenn wir wirklich "Betroffene" sind, gehen uns bestimmte Dinge "unter die Haut" und verändern unsere Ansichten!

Für die meisten von uns ist ja der religiöse Lebensweg entsprechend anerzogen und vorgezeichnet: so schien es auch für mich: "Ich bin katholisch, gehe in die katholische Messe, Ökumene brauche ich nicht." – Wie geht es Ihnen dabei, liebe Leserin, lieber Leser? Was ist Ökumene für Sie? Ein Thema für ein theologisches Streitgespräch? Etwas, das Ihnen Angst macht? Ein unbedeutender Randbereich, weil "bei Ihnen" alle der gleichen Konfession angehören? Glauben Sie mir, es kann heute schneller passieren als Sie denken: plötzlich lernt eine/r aus Ihrer Familie oder Verwandtschaft jemanden lieben, der einer anderen Konfession angehört. Wie würden Sie reagieren – als plötzlich "Betroffene/r"?

Meine Frau (sie ist evangelisch) und ich haben – so wie viele in unseren Gesprächskreisen – alle möglichen Reaktionen kennengelernt: verständnislose Ablehnung, Gleichgültigkeit, vorsichtige Zustimmung... Auch wir selbst mußten uns klar werden, wie wir damit umgehen: sollten wir die religiösen Fragen ausklammern, wie nicht wenige gemischt-konfessionelle Paare? (Inzwischen tun es leider auch genug andere!) Oder sollten wir uns einlassen auf den Weg des Dialoges und des Vertrautwerdens mit der Konfession des Partners? Wir haben uns – mit vielen anderen, wie wir inzwischen wissen – für den zweiten Weg entschieden und haben dabei die verschiedenen Stadien durchlebt: vom persönlichen Kennen- und Liebenlernen, der Vorstellung in der jeweils "anderen" Familie bis zum "doppelten" Traugespräch. Von der (evangelischen) Trauung bis zur Taufe unserer beiden Kinder. Mit ihnen besuchten wir die katholische Kindermesse und (abwechselnd) den evangelischen Gottesdienst. So merkten unsere Kinder bald, daß es verschiedene Meßfeiern gibt. Durch ihre Fragen wurde uns auch wieder bewußt, wie notwendig darüber ein gemeinsames Gespräch ist. Wir begannen uns umzuhören, ob es Familien gibt, denen es ähnlich geht und so stießen wir vor rund 18 Jahren zu einer "Familienrunde", wo ein Partner evangelisch und einer katholisch ist.

Dabei konnten wir – scheinbar paradox – feststellen: durch die intensive Auseinandersetzung mit der Konfession des Partners fühlen sich die meisten von uns auch mit der jeweils eigenen Kirche viel stärker verbunden!

Bei einem österreichweiten Treffen unserer ARGE ÖKUMENE zeigte sich, daß rund zwei Drittel eine Funktion in der eigenen Kirche übernommen haben (im PGR, als Tischmutter, beim Chor usw.) Die oft erwähnte Angst, daß durch die Ökumene die religiöse Identität verloren geht, sehe wir daher unbegründet! Gelebte Ökumene ist ja nur dort ein Anliegen, wo jeder Partner seinen Glauben und den des Anderen ernst nimmt!

Durch die wechselnden Lebensumstände haben sich sowohl die Zusammensetzung unserer Runde als auch die zur Diskussion stehenden Fragen natürlich geändert. "Kreis konfessionsverschiedener Ehepaare" lautete unser erster Name, "Kreis konfessionsverbindender Ehepaare" heißen wir derzeit. Inzwischen gibt es aber Überlegungen, unseren Namen zu erweitern auf:

"Arbeitsgemeinschaft konfessionsverbindender Familien und ökumenisch Interessierter"

Unsere Runde umfaßt nämlich heute sowohl Familien (mit Kindern von 2 – 20 Jahren), als auch Personen, deren Partner leider schon verstorben ist. Leider müssen wir bemerken, wie schwer es ist, neue Leute für unsere Runde zu interessieren! Die Ursachen dafür sind vielschichtig: sei es, daß der Altersunterschied zu groß ist, sei es der Rückzug ins Private ("Glaube ja, Kirche nein") und tlw. das von der "ökumenischen Großwetterlage" abgeleitete "Mikroklima": die Angst, eigene Kernschichten zu verunsichern, läßt manche das Halten diverser "Besitzstände" wichtiger erscheinen als vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Im regionalen Bereich trifft sich unsere Runde monatlich (von September bis Juni), abwechselnd in den Wohnungen der einzelnen Mitglieder. Die Themenbereiche, über die wir dann sprechen, sind breit gestreut. Bei allen Themen fühlen wir uns jedoch ausgezeichnet "geistlich begleitet" – bei fast jeder Sitzung sind sowohl ein evangelischer Pfarrer von Bad Ischl als auch unser katholischer Pfarrer anwesend!

Im folgenden möchte ich Ihnen einige Themen vorstellen, die uns beschäftigt haben. Vielleicht gibt es auch Ihnen einen Anstoß, in Ihrem Bereich einen ähnlichen Kreis zu bilden und das eine oder andere Thema zu besprechen:

  • Spezielle Fragen gemischtkonfessioneller Ehepaare (Form der Trauung, Taufe der Kinder, religöse Erziehung, Gestaltung von Kinder- und Schulgottesdiensten, Erfüllung der Sonntagspflicht u.a.m.)
  • Das geistliche Lied; sein Stellenwert im evangelischen und katholischen Gottesdienst
  • Firmung – Konfirmation
  • Eucharistie – Abendmahl
  • Das Sakramentenverständnis in unseren Kirchen
  • Einendes und Trennendes

Mitglieder unseres Kreises sind auch aktiv an der Vorbereitung und Organisation für den "Weltgebetstag der Frauen" (jeweils im März) beteiligt. Zwei Mitglieder sind auch im Team des "Katholischen Bildungswerkes" und versuchen auch hier, ökumenische Aspekte einzubringen, bzw. überhaupt gemeinsame Veranstaltungen zu initiieren: leider derzeit mit geringem "Echo" von evangelischer Seite.

Darüber hinaus haben wir unsere Runde interessierten Pfarrgemeinderäten vorgestellt (leider waren und sind davon noch viele "Nicht-Betroffene") und wir haben zwei "ökumenische Wanderungen" (jeweils mit ökumenischen Andachten) veranstaltet. Mitgearbeitet hat unsere Runde auch bei einem Fragebogen zur religiösen Praxis konfessionsverschiedener Ehepaare. Sehr wertvoll war für uns auch die Teilnahme an einer "Ökumenischen Romreise" im Jahr 1995: dabei bot sich die Gelegenheit zu
einem Gespräch mit einem Vertreter des "Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen".

Unsere derzeitigen Hauptanliegen sind:

  1. Das Wecken der "Betroffenheit" bzw. die Aufrechterhaltung des "Betroffen-Seins": die Umsetzung mancher Grundanliegen des Konzils scheinen uns in mancher Hinsicht zum Stillstand gekommen. Gerade im Bereich der Ökumene gibt es Ängste, Unsicherheiten und Widerstände. Wir möchten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zu "Mit-Betroffenen" machen!
Gerade weil wir unsere eheliche Beziehung und Glaubenspraxis ernst nehmen wollen, hoffen wir auf die Umsetzung einiger unserer Vorschläge, wo wir dringenden pastoralen Handlungsbedarf sehen: das betrifft u.a. die Erfüllung der Sonntagspflicht (bei Besuch eines evangelischen Gottesdienstes), die Zulassung Evangelischer als Tauf- und Firmpaten sowie die Gemeinschaft beim Herrenmahl! zu diesen Punkten gibt es bereits zahlreiche Stellungnahmen. Besonders interessiert haben unsere Runde die Aussagen von Peter Neuner in seinem Artikel "Ein katholischer Vorschlag zur Eucharistiegemeinschaft" (in "Stimme der Zeit, Jhg. 118, 1993, Seite 448 ff) und jene von O. H. Pesch, der schreibt: "In vielen Gruppen in beiden Kirchen, zu schweigen von vielen konfessionsverschiedenen Ehen, ist Gemeinschaft beim Herrenmahl ja längst Praxis, besten Gewissens...". Änderungen sind notwendig, damit vermieden werden kann "... daß kirchliche Weisung und gläubig Praxis sich unheilbar voneinander entfernen."1
Nicht weniger als 50 (!) Argumente für die Herrenmahlsgemeinschaft sammelte Pesch und kommt daher zu folgendem Schluß: "Die Gemeinsamkeiten im Verständnis des Herrenmahles sind so bedeutsam, daß davor die verbleibenden Interpretations- und Praxisunterschiede verblassen."
Und er präzisiert im Klartext: "Daher plädiere ich dafür, Herrenmahlsgemeinschaft in begrenzter und dafür vorbereiteter Situation zu ermutigen."
  1. Die weitere aktive Gestaltung des ökumenischen Gottesdienstes in der Gebetswoche für die Einheit der Christen:
    hier finde wir bereits eine jener pastoralen Notwendigkeiten verwirklicht, die uns als hautnah Betroffenen wirklich am Herzen liegt. Bitte stellen Sie sich vor: wir teilen mit unseren Partnern die fundamentalsten Lebenserfahrungen – Freude und Leid, Geburt, Tod, Zuneigung, Mühsal, Streit und Versöhnung – in allen Abstufungen der Intensität und Intimität.
    Wir sind geeint durch die Taufe und das Sakrament der Ehe; wir möchten unseren Kindern christliche Werte vermitteln; wir möchten unseren Glauben auch gemeinsam leben – aber ausgerechnet das "Sakrament des Lebens – die Eucharistie – sollten wir nicht teilen können?! Seit einigen Jahren wird bei uns dieser Gottesdienst abwechselnd in der
    katholischen bzw. evangelischen Kirche als Hauptgottesdienst gefeiert. Die Predigt hält jeweils der Pfarrer der anderen Konfession; für diese ist auch die jeweilige Kollekte bestimmt. Besonders freuen wir uns, daß es möglich ist, Gastfreundschaft so zu leben, daß sich Evangelische zur katholischen Eucharistiefeier und Katholische zum Abendmahl
    eingeladen wissen – durch unseren gemeinsamen Herrn, Jesus Christus.
  2. Die Ausweitung unserer Kontakte:
  3. auf oberösterreichischer Ebene vielleicht mit diesem Bericht (unsere Kontaktadresse lautet: Erika und Gerhard Größwang, Sulzbach 127, A-4820 Bad Ischl).
  4. auf gesamtösterreichischer Ebene existiert bereits eine "ARGE ÖKUMENE": seit 6 Jahren treffen sich konfessionsverbindende Paare und ökumenisch Interessierte aus fast allen Bundesländern zu einem Herbst-Treffen: wir laden dazu immer den jeweiligen Diözesanbischof und den evangelischen Superintendenten ein. In diesen Gesprächen möchten wir den Kirchenleitungen unsere persönliche Betroffenheit vermitteln und ihnen von unseren Visionen erzählen. Bisher fanden folgende österreichweiten Treffen statt (Jahr, Ort, Thema):
1992 OÖ, Wehrenfennighaus, Bad Goisern: "Denn der Buchstaben tötet, der Geist aber macht lebendig"

1993 Wien, Bildungshaus Lainz: "Gottesdienst"

1994 Steiermark, Bildungshaus Mariatrost, Graz: "Gemeinsam im Glauben wachsen"

1995 Tirol, Haus der Begegnung, Innsbruck: "Gemeinsam Kirche leben"

1996 Kärnten, Schloß Krastowitz, Klagenfurt: "Was wissen wir voneinander?"

1997 NÖ, Bildungshaus St. Hippolyth, St. Pölten: "Sind wir eine Kirche?" – Dilemma und Chance der Konfessionsverschiedenheit
  1. auf europäischer Ebene hoffen wir durch die Teilnahme an der 2. Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz neue Kontakte zu Gruppen und Familien zu finden, denen die Ökumene ein ebenso großes Anliegen ist wie uns. Erste Rückmeldungen dazu stimmen uns recht positiv.

Für uns ist Fortschritt in der konkreten Ökumene wesentlich mehr als ein Erfolgserlebnis theoretisch-theologischer Überlegungen: es hat schließlich Auswirkungen auf unser ganz persönliches Schicksal! Aus diesem Grund haben wir als Betroffene Visionen entwickelt, von denen ich Ihnen drei gerne vorstellen möchte:

  • Wir haben die Vision, daß sich unsere Kirchen als gleichberechtigte Geschwisterkirchen anerkennen, die einander in Wertschätzung begegnen
  • Wir haben die Vision, daß unsere Kirchen ihre Verschiedenheit als Wert erkennen: Verschiedenheit wandelt sich vom Ausdruck der Trennung zum Zeichen der Ergänzung
  • Wir haben die Vision, daß unsere Erfahrungen des gemeinsamen Herrenmahles als Zeichen der Versöhnung wirken.

Liebe Leserin, lieber Leser! Ich hoffe, es ist mir gelungen, Sie ein wenig zu "Mit-Betroffenen" zu machen! Dann können Sie vielleicht auch diese Visionen mitentwickeln und mittragen: als Privater und als Träger eines Amtes oder einer Funktion in unserer Diözese und darüber hinaus!

Wenn wir das, was uns eint, leben, dann hat das, was uns trennt, nicht mehr die Kraft, uns zu trennen!

"Ökumene Kann Uns Menschen Eigentlich Nur Einigen!"

P.S.: Mein Bericht ist ein persönlicher Erfahrungsbericht. Unsere Visionen leiten sich aus unserer speziellen Lebenssituation ab und beschränken sich daher naturgemäß auf das Beziehungsfeld "evangelisch – katholisch". Andere Konfessionen sollen dadurch weder abgewertet noch ausgegrenzt werden!
Zum Autor: Mag Gerhard Größwang unterrichtet die kaufmännischen Fächer an der Bundeshandelsakademie und –handelsschule Bad Ischl. Er ist Mitglied der "Ökumenischen Kommission der Diözese Linz" und Vertreter der ARGE ÖKUMENE in Oberösterreich.

Gerhard Größwang




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